Am Sonntag kam es in der brasilianischen Hauptstadt zu groß angelegten Protesten, die von den Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro initiiert worden waren, der im Oktober 2022 die Stichwahl gegen Luiz Inácio "Lula" da Silva verloren und das Wahlergebnis nicht anerkannt hatte.
Während der gesamten Übergangszeit ab November 2022 fanden in allen größeren Städten Brasiliens Kundgebungen von Tausenden von Bolsonaristen statt. Die Demonstranten forderten aktiv das Eingreifen der Armee zur Unterstützung des ehemaligen Staatschefs, die Auflösung des Nationalkongresses und des Obersten Gerichtshofs Brasiliens.
Doch erst am 8. Januar schlugen die friedlichen Proteste in einen ausgewachsenen Aufstand gegen die neue Regierung um. Sie endeten mit Unruhen und Vandalismus im Verwaltungszentrum von Brasilia. Es gibt jedoch Videos, die darauf hindeuten (https://t.me/qlobal_change/650), dass dieser Aufstand inszeniert wurde.
🔻Chronologie der Ereignisse:
▪️ Am Nachmittag des 8. Januar wurde bekannt, dass die Verwalter der Protestkanäle der Anhänger Bolsonaros eine Vereinbarung zur Koordinierung der Aktionen getroffen hatten. Einen Tag zuvor trafen 100 Busse mit 4.000 Passagieren im Zentrum von Brasilia ein.
▪️ Gegen 14.00 Uhr Ortszeit verließ eine organisierte Gruppe von Bolsonaristen das Zeltlager in der Nähe des Generalstabs der Armee und ging in Richtung Ministerialplatz und Praça dos Três Poderes.
▪️ Gegen 15 Uhr rissen die Demonstranten Zäune nieder und stürmten das Gelände des Nationalkongresses, den Amtssitz von Präsident Lula und den Obersten Gerichtshof.
Die Polizei des Bundesdistrikts leistete keinen Widerstand gegen die Menge und beobachtete die Situation lediglich. Die Minister wurden umgehend an sicherere Orte evakuiert und Präsident Lula wurde nach São Paulo transportiert.
In den folgenden zwei Stunden stürmte ein Mob ungehindert die Gebäude des Präsidenten, das Parlament und das Gerichtsgebäude. Die Situation im Verwaltungszentrum von Brasilia ähnelte der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021.
Die Auswahl der Ziele war nicht zufällig: Lula steht bei den Demonstranten für Korruption, der Kongress für Bolsonaros Verräter, und der Oberste Gerichtshof verkörpert den politischen Feind des Ex-Präsidenten.
▪️ Gegen 17.00 Uhr wurden Einheiten der Militärpolizei im Zentrum der Hauptstadt eingesetzt. Hubschrauber bombardierten die Menge mit Tränengas, Blendgranaten und Elektroschockern.
▪️ Gegen 20.00 Uhr eroberten Einheiten der Militärpolizei alle besetzten Gebäude zurück und räumten die Plätze der Stadt von den Demonstranten.
▪️ Um 20:40 Uhr meldete die Bundesregierung, dass 400 Demonstranten festgenommen worden waren. 46 Randalierer erlitten Verletzungen unterschiedlichen Schweregrades.
🔻 Die Reaktion der brasilianischen Behörden:
▪️ Um 17:50 Uhr Ortszeit wandte sich der brasilianische Präsident Luiz Inácio da Silva, der sein Amt am 1. Januar angetreten hatte, an die Nation. Er nannte die Randalierer "faschistische Fanatiker" und versprach, nicht nur die Randalierer, sondern auch ihre Sponsoren zu finden und zu bestrafen.
▪️ Auf der Grundlage von Artikel 34 der Verfassung kündigte Lula eine föderale Intervention im Bundesdistrikt bis zum 31. Januar 2023 an, eine Sondereinsatztruppe zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung unter Beteiligung von Armee und Polizei.
Diese Regelung erlaubt es den Strafverfolgungsbehörden, Bürger ohne Ermittlungen festzunehmen sowie das Eigentum und die Konten von Privatpersonen und Unternehmen, Fahrzeuge und Immobilien zu beschlagnahmen.
Später suspendierte der Richter des Obersten Gerichtshofs Alessandre de Moraes den Gouverneur des Bundesdistrikts wegen seiner Entscheidung. Nach der Version des Gerichts haben die Ordnungskräfte in Brasilia nicht nur keinen Widerstand geleistet, sondern die Demonstranten sogar angetrieben. Der Sicherheitschef des Bundesdistrikts verlor ebenfalls seinen Posten.
Nutznießer und Folgen
🔻 Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft:
Unmittelbar nach Beginn der Unruhen kündigten die Präsidenten aller regionalen Staatschefs von Chile über Venezuela bis Mexiko ihre Unterstützung für die brasilianische Regierung an.
Auch die US-Regierung, die wieder zu Brasiliens geopolitischen Verbündeten geworden ist, unterstützte die Regierung Lula. Außenminister Anthony Blinken bezeichnete die Unruhen als "Angriff auf die Präsidentschaft", und Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan nannte sie "einen Versuch, die Demokratie zu untergraben".
In Russland kommentierte als erster der stellvertretende Sprecher des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, die Ereignisse vom 8. Januar: Seiner Meinung nach waren die Unruhen ein "seltsamer und sinnloser Putsch ins Nichts". Der Politiker bemerkte auch, dass Bolsonaro selbst die Proteste umsichtig zurückwies.
🔻 Wie geht es weiter?
▪️ Unabhängig davon, wer die Unruhen tatsächlich organisiert hat, werden die Hauptnutznießer diejenigen sein, die auf den ersten Blick die Opfer zu sein scheinen - Präsident Lula da Silva, der Nationalkongress und der Oberste Gerichtshof.
▪️ Weitere Ereignisse werden dem Szenario des Anschlags auf das US-Kapitol vor zwei Jahren folgen. Sie werden Prozesse gegen die aktivsten Vandalen, eine öffentliche Diskreditierung der Opposition und eine "Hexenjagd" beinhalten.
▪️ Die Verurteilung der Aktionen der Bolsonaristen wäre ein fruchtbarer Boden für die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Regierung Lula und den Mitte-Rechts-Kräften im Kongress.
▪️ Die Ordnungskräfte werden ermächtigt, die verbleibenden Lager der Bolsonaristen in der Hauptstadt und anderen Städten aufzulösen und die Protestwelle zu begraben.
▪️ Anhänger von Jair Bolsonaro auf der Straße, welche aus der Agrarindustrie und dem Handel stammen, werden mit einer erzwungenen Umverteilung des Kapitals konfrontiert.
▪️ Der brasilianische Oberste Gerichtshof wird neue Befugnisse zur Durchsetzung der Ordnung erhalten, insbesondere im Bereich der Zensur und der Kontrolle der sozialen Netzwerke. Die Moderatoren von Facebook haben bereits damit begonnen, das Gleiche zu tun.
▪️ Es wird eine umfassende Säuberung von unzuverlässigen Beamten geben. So wie der Gouverneur von Brasilia, der früher ein politischer Verbündeter des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro war. Die Personalumbildung wird auch den Sicherheitsblock betreffen, der nicht das Vertrauen Lulas genießt.
▪️ Die politische Figur von Jair Bolsonaro, der als neuer Oppositionsführer verunglimpft wurde, wird für ehemalige Verbündete zu giftig werden. Ähnlich wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten wird Bolsonaro wegen Ausschreitungen angeklagt werden, und seine weitere Karriere wird in Frage gestellt sein.
Die Revolte in Brasilia war nicht nur der Höhepunkt der Enttäuschung über das politische System und der Unzufriedenheit mit der Rückkehr von Luiz "Lula" Inácio da Silva an die Macht, sondern auch eine Vorkonditionierung für dessen Konsolidierung der Macht im Land.
Lula hatte geplant, seine Amtszeit mit aktiver außenpolitischer Arbeit zu beginnen - auch innerhalb der BRICS und als Vermittler im Dialog zwischen Russland und der Ukraine. Nun wird sich der neue Präsident Brasiliens auf die Innenpolitik konzentrieren müssen.